Ben Willikens. Die Anmaßung der Räume und Orte
bis 26.03.2017
Menschenleere Räume und Raumansichten, perspektivisch perfekt konzipiert und häufig in Grisaille-Technik mittels einer umfassenden Palette von Graunuancen wiedergegeben – so entfaltet sich die Bildwelt des 1939 in Leipzig geborenen Künstlers Ben Willikens. Kühl und sachlich, eine zeitlose, transzendente Atmosphäre vermittelnd, lassen die Werke kaum erahnen, dass die Geburtsstunde der Motive und der Darstellungsweise mit persönlichen Erfahrungen des Künstlers verbunden ist, der im Winter 1943 die Bombardierung seiner Heimatstadt erlebte. In der Wahl des Sujets und dem malerischen Ausdruck hat Ben Willikens seinen völlig individuellen künstlerischen Ansatz gefunden, unbeeindruckt von dem Kunstgeschehen der 1970er und 80er Jahre.
Bis heute setzt Willikens seinen eingeschlagenen Weg konsequent fort, wobei sich eine bewundernswert stringente Entwicklung verfolgen lässt. Waren die Anstaltsbilder der 1970er Jahre, die in Anlehnung an die Pop-Art entstanden, noch klinisch kalt und bedrückend, beginnt in den Gegenräumen der 1980er Jahre das Licht an Bedeutung zu gewinnen: Die Atmosphäre ändert sich, die Raumsituation wird nach und nach immer offener und freier. Während sich insbesondere im mehrfach ausgeführten Motiv des Abendmahls sowie in Arbeiten für Altar- und Deckengemälde dem Betrachter eine transzendente Komponente eröffnet, verdüstern in dem Werkkomplex ORTE, in dem sich Willikens mit nationalsozialistischer Architektur auseinandersetzt, schwarze Flächen symbolhaft die Bildwirkung. Seit den 1990er Jahren werden die Raumansichten und Architekturdarstellungen abstrakter – in seinen Räumen der Moderne beschäftigt sich der Maler ganz konkret mit Gebäuden von Walter Gropius oder Mies van der Rohe. Die Kanten werden härter und ehemals konkrete Gegenstände weichen geometrischen Körpern. Seit etwa der Jahrtausendwende tritt allmählich mit dem gezielten Einsatz von Farbe ein neuer Aspekt ins Schaffen des Künstlers, beispielsweise in den sogenannten Cuts. Diese geben auf einen Ausschnitt konzentrierte Raumsituationen wieder und wirken bisweilen fast virtuell, wie computergeneriert. Vor einigen Jahren schließlich erweiterte Willikens auch sein technisches Repertoire: Von jeher mit Acrylfarbe arbeitend, kombiniert er in der mit Floß betitelten Serie auf die Leinwand übertragene Fotoprints mit Malerei.
Mit rund 80 großformatigen Werken aus den frühen 1970er Jahren bis heute, zusammengestellt aus der Sammlung Weishaupt, aus dem Besitz des Künstlers sowie zahlreicher weiterer Leihgeber, bietet die retrospektiv angelegte Ausstellung einen Einblick in das über fünf Jahrzehnte umfassende OEuvre von Ben Willikens. In den großen, offenen Ausstellungsräumen der Kunsthalle kommen seine menschenleeren Architekturen wirkungsvoll zur Geltung: Es bietet sich dem Besucher die Gelegenheit, sich von der bisweilen fast sogartigen Wirkung der gemalten Räume in Bann ziehen zu lassen, mit der ganzen Bandbreite an Assoziationen und Emotionen, die diese Bilder auszulösen imstande sind.