Sammeln mit viel Gespür
„Ich sammle aus dem Bauch heraus“, lautet ein Understatement von Siegfried Weishaupt. Mit viel Gespür hat der Unternehmer aus dem nahe bei Ulm gelegenen Schwendi – zusammen mit seiner Frau Jutta – über mehr als fünf Jahrzehnte eine Sammlung geformt, die ein starkes, eigenes Profil zeigt.
Am Anfang stand die Verbindung zur Hochschule für Gestaltung (HfG) in Ulm. Sein Vater Max Weishaupt, Gründer des Unternehmens, hatte schon zu Beginn der 1960er Jahre Kontakt zur HfG aufgenommen und die herausragenden Produktdesigner Hans Gugelot und Hans Sukopp an das Unternehmen gebunden, später dann den richtungweisenden Schweizer Grafiker Josef Müller-Brockmann. „So zogen das Bauhaus und eine klare Gestaltungslinie bei uns ein“, erinnert sich Siegfried Weishaupt, woraus auch eine besondere Verbindung zu Max Bill, Gründungsrektor der HfG, und seinen künstlerischen Arbeiten entstand.
Vor allem Werke von Josef Albers, der zeitweilig auch in Ulm lehrte, prägten die Kunstauffassung von Siegfried Weishaupt. Über die folgenden Jahre öffnete sich der Blickwinkel des Sammlers und seiner Frau Jutta von der geometrischen und „konkreten“ Kunst vor allem für den Abstrakten Expressionismus der Amerikaner (für Rothko etwa) über Rauschenberg, dessen Arbeit starke Impulse setzte, dann für die Pop-Art und andere zeitgenössische Kunstrichtungen.
Farbe und Licht sind die Koordinaten
Mitte der 1960er Jahre erwarb Siegfried Weishaupt sein erstes Kunstwerk und legte damit den Grundstein für eine Sammelleidenschaft, die nun schon über fünf Jahrzehnte nicht nur andauert, sondern noch gewachsen ist. Ausgehend von der Faszination für geometrisch-konkrete Kunst, bildet die Begeisterung für klare Formen und leuchtende Farben das Fundament der Sammlung. Zugleich gewähren diese Koordinaten dem interessierten Sammlerehepaar aber auch Spielraum für Neues.
Heute zählt die Sammlung Siegfried und Jutta Weishaupt mit bereits vielen Hundert Werken zu den deutschlandweit bedeutenden Privatsammlungen europäischer und amerikanischer Kunst seit den 1960er Jahren. Mit der Eröffnung der kunsthalle weishaupt ist sie seit 2007 in wechselnden Präsentationen auch der Öffentlichkeit zugänglich.
Geometrisch-konkrete Kunst
Mit Max Bill als Gründungsdirektor, Dozenten wie Josef Albers und Friedrich Vordemberge-Gildewart oder Studenten wie Almir Mavignier bot die Hochschule für Gestaltung in Ulm (1954–1968) direkten Kontakt zu namhaften Künstlern der Konkreten Kunst.
Der Anspruch, die wissenschaftlich durchdachte Auseinandersetzung mit Farbe und Form in Malerei und Skulptur zum Ausdruck zu bringen, bot ein weites Feld vielseitiger künstlerischer Ansätze bis hin zu Phänomenen der Op-Art.
Zusammen mit bedeutenden Arbeiten der genannten Künstler bilden zahlreiche Werke wichtiger Vertreter dieser Stilrichtung den Ausgangspunkt der Sammlung, darunter Hans Arp, Ulrich Erben, Günter Fruhtrunk, Rupprecht Geiger, Camille Graeser, Auguste Herbin, Verena Loewensberg, Richard Paul Lohse, Bridget Riley, Victor Vasarely u.a.
ZERO und ihr Umfeld
1958 gründeten Heinz Mack und Otto Piene in Düsseldorf die Gruppe ZERO, Günther Uecker stieß wenig später hinzu. Ausgangspunkt war die Idee eines Nullpunktes, an dem die Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg historisch angekommen war und der nun zugleich den absoluten Neuanfang ermöglichte und sogar forderte. Insbesondere Material und Technik boten neue Möglichkeiten, wobei Aspekte der Kinetik, des Lichtes und der Farbwirkung eine große Rolle spielten.
Neben repräsentativen Werken der drei Hauptvertreter und deutscher Kollegen, umfasst die Sammlung auch Arbeiten großer Künstler aus dem internationalen Umfeld wie Lucio Fontana, Piero Dorazio, Enrico Castellani und Piero Manzoni, Yves Klein, Jef Verheyen, Pol Bury, Jan J. Schoonhoven, Jesús Rafael Soto, Victor Vasarely und zahlreichen anderen.
Amerikanische Kunst seit den 1950er Jahren
Die Kunstgeschichte war nie Leitfaden des Sammelns für Siegfried und Jutta Weishaupt – dennoch verfügt die Sammlung über repräsentative Werke der wichtigsten amerikanischen Stilentwicklungen der Nachkriegszeit.
Als ein bedeutender Künstler des abstrakten Expressionismus ist Willem de Kooning vertreten, Mark Rothko, Morris Louis, Kenneth Noland oder Frank Stella stehen für die Farbfeld- und Hard-Edge-Malerei, Donald Judd, Dan Flavin und Sol LeWitt für die Minimal Art.
Mit dem Ankauf eines Combine-Paintings von Robert Rauschenberg 1983 öffnete sich die Sammlung einer gewissen Gegenständlichkeit, ohne die die farbenfrohe Pop Art eines Andy Warhol, Roy Lichtenstein oder Tom Wesselmann ebenso wenig denkbar wäre wie die Ausdrucksweise der jüngeren Generation mit Keith Haring und Jean-Michel Basquiat.
Skulptur
Seit 2009 steht Keith Harings Red Dog for Landois (1987) vor der kunsthalle weishaupt – beispielhaft für einen Aspekt, der nur bedingt im Inneren gezeigt werden kann, wie dies in der Schau Skulpturen und Reliefs 2012 umfangreich der Fall war.
Skulpturale und plastische Werke finden sich in allen stilistischen Bereichen der Sammlung wieder, darunter große Namen wie Jean Tinguely, John Chamberlain, Liam Gillick, Bernar Venet, Anthony Caro, Tony Cragg, Richard Serra u.a. Während manche Kleinplastik wie ein Mobile von Alexander Calder im privaten Umfeld ihren Stammplatz hat, sind viele der Skulpturen auf dem Firmengelände und in den dortigen Räumlichkeiten präsent. Monumentale Arbeiten sind häufig für den Außenraum gemacht, wo sie erst richtig zur Geltung kommen.
Aktuelle Positionen seit der Jahrtausendwende
Schwerpunkte geben die Linie vor – Offenheit und das Interesse an künstlerischer Entwicklung und Aktualität halten die Sammlung lebendig. So finden sich bei jüngeren Künstlern und aktuellen Arbeiten bereits etablierter Namen in der Sammlung die Themen Farbe, Kontrast, klare Linie und schlichte Form wieder.
Einerseits findet die Auseinandersetzung mit diesen Aspekten malerisch statt, wie bei Philippe Decrauzat oder Stéphane Dafflon. Andererseits werden sie technisch und materiell neu interpretiert und umgesetzt. Stoffe wie Lack, Aluminium, Stahl, Fiberglas treten verstärkt in Erscheinung, so bei Gerold Miller und Vincent Szarek.
Jenseits der genannten Konstanten entfalten schließlich die perfekten, fotorealistischen Kohlezeichnungen Robert Longos ihre ganz eigene Faszination.