kunsthalle weishaupt

Reine Formsache. Konstruktiv-konkrete Kunst aus der Sammlung

Installationsansicht „Reine Formsache“ mit Arbeiten von Olivier Mosset, Stéphane Dafflon und Gerold Miller; Foto: Daniel Scheffold
Dreieck, Viereck, Kreis oder Linie: die aktuelle Ausstellung vereint Kunstwerke, die auf geometrischen Formen beruhen. Auf den ersten Blick „Reine Formsache“! Dass sich dahinter alles andere als bloße Routine verbirgt und wie vielschichtig der Umgang mit den mathematischen Grundelementen sein kann, zeigt diese Präsentation aus der Sammlung Siegfried und Jutta Weishaupt.
Für eine radikal gegenstandslose und geometrische Bildsprache steht Piet Mondrian mit einem Werk aus den 1920er Jahren: eine streng rechtwinklige Struktur aus schwarzen Linien mit weißen Flächen und Farbfeldern in den Grundfarben Rot, Blau und Gelb. Seine prägnanten Rasterbilder machten Mondrian weltberühmt und sind bis heute in Architektur, Mode und Design allgegenwärtig.
Präzise Formen und mathematische Systeme sind zentrales Gestaltungsprinzip der Zürcher Konkreten, die mit Werken von Max Bill, Camille Graeser, Verena Loewensberg und Richard Paul Lohse vertreten sind. Den Begründer*innen dieser Kunstrichtung ging es nicht um den Verweis auf eine außerhalb des Bildraumes vorhandenen Realität. Mit präzisem Ansatz und auf der Suche nach einem harmonischen Maß erschufen sie kraftvolle Kompositionen, deren Fläche, Farbe und Form alleiniger Gegenstand der Kunst sind.
Die Arbeiten von Josef Albers beruhen dagegen auf wissenschaftlichem Denken und fordern unsere Seherfahrung heraus. Sein zentrales Anliegen ist die Untersuchung der Beziehung von Farben zueinander und die daran gekoppelte Veränderbarkeit ihrer Wirkung. Um dies zu demonstrieren, griff er ebenfalls auf eine geometrische Form zurück: das Quadrat. In Ergänzung zu Josef Albers stehen Werke unterschiedlicher Künstler*innen, die im Nachdenken über ein quadratisches Bildschema ein facettenreiches Panorama entfalten.
Weitere Spielarten des Leitthemas beeindrucken in großen Formaten. Bei Bridget Riley etwa fügen sich geometrische Muster zu unregelmäßig diagonal verlaufenden Farbstreifen zusammen. Als Vertreterin der Op-Art spielt auch sie mit unserer Wahrnehmung. Ein Fokus auf das Dargestellte scheint unmöglich und das Auge beginnt, einem bildimmanenten Rhythmus folgend, die Leinwand abzutasten. Sowohl in Malerei als auch Skulptur führen zeitgenössische Positionen von Philippe Decrauzat, Stéphane Dafflon, Imi Knoebel und Gerwald Rockenschaub das weite Feld künstlerischer Ansätze fort, die klare Formen und satte Farben zum Ausdruck bringen.
Wie kraftvoll die Linie als scheinbar einfachste geometrische Figur in Erscheinung treten kann, zeigt das Titelbild der Ausstellung mit Günter Fruhtrunks Arbeit „Große Kadenz“ aus dem Jahr 1972. Obwohl mittlerweile 50 Jahre alt, besticht das Kunstwerk durch die spannungsvolle, ungemein modern wirkende Symbiose von Strenge und Freiheitsdrang. Indem Fruhtrunk seine akkuraten Streifen minimal gegenüber der Diagonalen verschiebt und die Abfolge der Farben sich kaum merklich einer Symmetrie entzieht, scheinen seine länglichen Flächen in den Raum zu drängen und nach Verlängerung zu suchen. „Reine Formsache“ wird hier zum grenzenlosen visuellen Erlebnis!

Künstler*innen der Ausstellung
Josef Albers, Max Bill, Antonio Calderara, Stéphane Dafflon, Philippe Decrauzat, Günter Fruhtrunk, Karl Gerstner, Camille Graeser, Peter Halley, Auguste Herbin, Imi Knoebel, Verena Loewensberg, Richard Paul Lohse, Gerold Miller, Piet Mondrian, François Morellet, Bridget Riley, Gerwald Rockenschaub, Frank Stella, Wolfram Ullrich, Victor Vasarely, Friedrich Vordemberge-Gildewart, Hermann Waibel, Beat Zoderer u. A.